Frauen, was wollen wir eigentlich?
Warum nicht, habe ich mir gedacht. Angesichts
des bevorstehenden Frauenstreiktags berichten alle und jeder über die
himmelschreienden Ungerechtigkeiten, welche wir Frauen erfahren. Und das meine
ich jetzt ausnahmsweise nicht ironisch. Also gebe ich meinen Senf auch noch
dazu. Ja, warum eigentlich kommen wir Frauen so viel weniger gut in unseren
Karrieren voran als Männer? Warum verdienen wir bei gleichwertiger Leistung
weniger? Warum sind wir immer wieder bereit zurück zu stehen? Geben uns mit
weniger zufrieden?
Bevor ich selbst Kinder hatte, waren mir diese
Fragen nicht so wichtig. 1977 geboren, wuchs ich in einer Familie auf, in der
Gleichberechtigung kein Thema war. Nicht weil sie nicht vorhanden war, sondern
weil sie als selbstverständlich betrachtet wurde. Meine Eltern führten eine
gleichberechtigte Beziehung, beide arbeiteten. Mein Vater im 100% Pensum
angestellt, meine Mutter als selbstständige Unternehmerin. Erstmals richtig
irritiert bezüglich Gleichstellung, war ich erst mit etwa 21 Jahren. Und zwar
wegen einer Banalität, als ich für mich und meinen damaligen Freund (heute
Ehemann) bei der Post (damals sprach noch niemand von Postfinance) ein
Partnerkonto für unseren gemeinsamen Haushalt eröffnen wollte. Ich schrieb
meine Personalien in die Felder, welche für den Kontobesitzer vorgesehen waren
und bei den Feldern für den Partner gab ich jene meines Freundes an. Als ich
den Papierbogen abgab vermerkte die Person am Schalter mit einem Pfeil auf dem
Dokument, dass es sich umgekehrt verhalte (Freund als Besitzer, ich als Partner
und Mitbesitzer). Ich fragte, warum. Schliesslich sei es zwar unser gemeinsames
Konto, ich sei aber diejenige, welche es aktiv bewirtschafte. So sei es eben
bei der Post, wurde mir erklärt. What the f….!?! Das war 1998.
Spätestens seit der präsidialen Ära Trump kennt man
das Wort Misogynie. Misogynie ist jedoch kein spezifisches Männerproblem und
sehr viel komplexer. Es ist ein Problem unserer Gesellschaft. Es steckt latent
aber trotzdem ganz, ganz tief drin in all unseren Köpfen. Bei uns Frauen
vielleicht noch tiefer als bei Männern. Ich beobachte das bei mir selbst. Nie
habe ich mich darüber gewundert, dass ich immer männliche Vorgesetzte hatte und
mich stets „nur“ mit Wertschätzung und Anerkennung zufriedengegeben. Bitte
nicht falsch verstehen. Wertschätzung ist toll! Dass ich mich damit zufriedengab
und mich nicht stärker um eine klassische Karriere bemühte, lag nur an mir. Es
war halt einfach „normal“ so und bezüglich Lohnerhöhung konnte ich
mich, obwohl nie im Leben darum gebeten, nicht beklagen. Und dann, als ich vor
ein paar Tagen mein Lieblingsmagazin las, welches zu Ehren des bevorstehenden
Frauenstreiktages, konsequent die weibliche Form in ihren Berichten verwendete,
fühlte sich das extrem befremdlich an. Gar Empörung machte sich kurz breit, als
dastand, dass rund 57,6 Mio. Flugpassagierinnen so und so viel CO2 Ausstoss
produziert haben sollen. Dass bei den Flugpassagieren die Frauen
miteingeschlossen gewesen wären, versteht sich ja einfach von selbst.
Woher kommt es, dass dieses Denken auch ganz
fest in meinem Unterbewusstsein festsitzt? So erzogen worden bin ich ja
schliesslich nicht. Oder?
Meinem Sohn erkläre ich manchmal, er müsse mit
Mädchen etwas sanfter sein. Die mögen nicht so ganz gleich kämpfen und sich
balgen wie die Jungs. Im Gegenteil, er könne doch eingreifen, wenn ein Mädchen
oder ein schwächeres Kind in Bedrängnis gerate und es so in Schutz nehmen.
Meine Tochter sitzt daneben. Meinem Sohn gebe ich auf den Weg, er solle
Verantwortung für die Schwächeren übernehmen und schliesse damit die Mädchen
ein. Wobei, und das will ich hier festhalten, Aussagen in dieser Art werde ich
auch noch morgen und übermorgen machen. Was aber suggeriere ich damit wohl meinen
Kindern, und besonders meiner Tochter?
Die Politik und die Unternehmen der Schweiz haben
noch jede Menge Arbeit vor sich. Mutter- UND vor allem Vaterschaftsurlaub,
Flexible (Teilzeit-)Arbeitsmodelle für alle Stufen und Geschlechter, bezahlbare
Betreuungsplätze und so weiter. Spätestens nach der Geburt eines Kindes, werden
die Frauen, aber auch die Männer in ein Rollenbild gedrängt. Das fängt schon
beim Kinderwunsch eines Paares an. Der Mann arbeitet an seiner Karriere,
schliesslich hat er bald eine Familie zu ernähren. Die Frau hält sich in der
Blüte ihrer potenziellen Karrieremöglichkeiten zurück, da sie befürchten muss,
die Leute, welche ihr eine grossartige Chance ermöglichen würden, nach kurzer
Zeit enttäuschen zu müssen und mit Kind möglicherweise allgemein nicht mehr
genügen zu können.
Dank glücklichen Umständen arbeite ich wieder in
einem interessanten Bereich. Das, nachdem ich zwei Jahre lang eine Stelle
suchen musste, welche ich mir in verschiedener Hinsicht leisten konnte.
Natürlich, NATÜRLICH? nehme ich, wie viele teilzeitarbeitende Frauen (und
möglicherweise auch Männer?), die massive Lohneinbusse dafür in Kauf. Weiterhin
gebe ich mich „nur“ mit der entgegengebrachten Wertschätzung
zufrieden und geniesse den Ausgleich zur Familienarbeit. Ärgern tue ich mich
trotzdem von Zeit zu Zeit. Und die Streiks, auch wenn ich selbst nicht daran
teilnehme, begrüsse ich sehr. Wo würden wir heute stehen, wenn Frauen in der
Vergangenheit nicht immer wieder auf die Strassen und auf die Barrikaden
gegangen wären? Nach grossartigen Errungenschaften, aber jahrzehntelangem fast
Stillstand im Fortschritt der Frauenrechte, ist es an der Zeit die nächsten
Schritte anzugehen! Meiner Meinung nach auch im Interesse der Männer und der
ganzen Gesellschaft.
Ah ja, habt ihr gewusst, Google Notes (App) kennst das Wort Vaterschaftsurlaub nicht: